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Das Fahren mit dem Rennrad

Mein erstes Stück Fahrrad war nur eine alte Felge, die ich mit einem Holzstab neben mir hertrieb. Damit die rollende Felge auch immer die gewünschte Richtung behielt, wurde sie nach Bedarf seitlich mit dem Stab touchiert.

Als jemand, der im Spiegelhäusl in Leihmannsdorf wohnte, ein Damenrad um 50 Schilling feilhielt, hatte ich eine Weile den Wunsch, es zu erwerben. Wieso ich es nicht genommen bzw. bekommen habe, weiß ich nicht mehr. Jedenfalls hatte ich danach bis zum zehnten Lebensjahr einen Tretroller, der aber oft kaputt war. Einmal kam ich vom Schmied in Kroisbach mit dem reparierten Roller zurück nach Ketterberg und bemerkte einige Altersgenossen beim Stierbenz. Da fuhr ich in den Hof. Kaum hatte ich den Roller abgestellt und ihm den Rücken gekehrt, hatte ihn der Hansl vom Weinmaier schon wieder kaputt gemacht. Zu Ostern 1952, rund 4 Monate vor meinem zwölften Geburtstag, bekam ich dann mein erstes Fahrrad.

Natürlich wäre mir ein mehr sportliches Rad lieber gewesen, schließlich war ich aber doch froh, als mein Vater mit mir am Karsamstag Vormittag zum Pilat nach Steyr fuhr und um ca. 1.200 Schilling ein neues Waffenrad kaufte. Am Nachmittag machte ich mich daran, damit das Fahren zu erlernen. Mein Vater hat mich begleitet und ich erinnere mich, dass wir von Ramingdorf schon bis Münichholz gekommen waren, als er die Zeit für gekommen hielt, mich los zu lassen, ohne zu bedenken, dass neben dem hier leicht abfallenden Weg ein Zaun verlief, dessen oberen Abschluss ein zirka acht Zentimeter dicker hölzerner Holm bildete, auf dem aber ein Stacheldraht angenagelt war. Als ich immer schneller wurde und bemerkte, dass ich auf mich allein gestellt war, fuhr ich auf den Zaun zu und bremste die Fahrt durch einen rettenden Griff nach dem bewehrten Holm. Die erste Ausfahrt nahm also ein blutiges Ende.

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An Sonntagen machte ich bald längere Ausfahrten. Einmal hatte ich in Hehenberg eine Reifenpanne. Übrigens genau an der Stelle, an der ein paar Jahre später der Massenmörder Engleder gefasst wurde. Ein Mann der sich vor seinem Haus aufhielt, war mir behilflich. Da war ich schon bald dreißig Kilometer von zuhause weg und fuhr dann noch über Enns zurück nach Ramingdorf. Das müssen an die hundert Kilometer gewesen sein. Meine Freunde Richard Horn und Roland Kny, die älter waren, waren nur für kürzere Ausflüge zu haben. Herzograd war das Weiteste, was wir je unternahmen. Der Roland kaufte sich dann sogar noch einen "Fuchsmotor", das war ein benzingetriebener Fahrradhilfsmotor, den die Halleiner Motorenwerke (HMW) herstellten. Man nannte sie Hendlstauber. Entweder weil sie Fuchs hießen oder weil sie so laut waren.

Mit vierzehn Jahren begann ich mit der Lehre in den Steyr Werken. Jeden Morgen fuhr ich den Anstieg zum Werk im Sattel sitzend, an den schiebenden Werktätigen vorbei. In diesen Jahren schoben mehrere nebeneinander und hintereinander. Richtige Menschentrauben schoben ihre Räder. Es gab keine gleitende Arbeitszeit, alle waren gleichzeitig unterwegs, niemand hatte ein Auto. Nur ich und die motorisierten Arbeitnehmer fuhren zügig durch. Damals schon erhielt ich den Spitznamen Coppi. Nach Feierabend war es der Plenkelberg, der mich immer wieder zu Höschstleistungen anspornte. In der Mittagspause, die damals noch länger dauerte, fuhr ich manchmal auf den Damberg.

Im Herbst 1955 kam ich beim Märzenkeller vorbei. Da standen an die zwanzig Radrennfahrer in Dressen. Ich hielt an und bemerkte ein Plakat, auf dem die Stadtmeisterschaft im Radfahren angekündigt war. Ein Straßenrennen und ein Kriterium (Rundstreckenrennen im Ortsgebiet) waren schon an früheren Tagen absolviert worden. Heute Stand das abschließende Bergrennen am Programm. "Start beim Märzenkeller" konnte ich noch lesen, da fuhren auch schon alle los. Instinktiv schloss ich mich an und als es anfing steiler zu werden, musste ich schon die ersten überholen. Bis Sankt Ullrich hatte ich mich ins Spitzenfeld vorgearbeitet und dachte mir schon,

dieses Tempo halte ich nicht bis zum Ziel durch, denn ich nahm an, dass es bis zu Schoiber gehen sollte. Da fasste ich den Entschluss, mich mit einem letzten furiosen Antritt von der Truppe zu verabschieden; ich wollte wenigsten in Sankt Ullrich als erster durchfahren und dann die Meute verlassen. Auf höhe des Gasthofes Maier war plötzlich eine Markierung auf der Straße und das Rennen war auch schon zu Ende und ich war als erster über die Ziellinie gefahren. Der offizielle Sieger dieses Rennens, ging auch als Gesamtsieger der Stadtmeisterschaft hervor. Er hieß Heinz Strasser, war schon über dreissig, arbeitete auch im Werk und hatte zufällig seinen Hauptwohnsitz in Kremsmünster, wohin wir im darauffolgenden Frühjahr übersiedeln sollten. Mein Vater kaufte ihm sein Rennrad ab, damit ich auch dem Verein beitreten konnte und im April 1966 fuhr ich die ersten Rennen, obwohl ich das Mindestalter von 16 Jahren noch nicht erreicht hatte. Kurzerhand wurde ich um ein Jahr älter gemacht, damit ich eine Lizenz lösen konnte. Der Strasser Heini kaufte sich ein neues Rad und er wurde mein größter Fan und Mentor. Er sah in mir schon den Rundfahrtsieger und Profi. Noch ehe ich eigentlich das nötige alter von 16 Jahren erreicht hatte, hatte ich aber nicht nur Anerkennung, sondern auch Missgunst und Sabotage erlebt und fühlte mich Manipulationen ausgesetzt. Fünf Jahre später wurde mir erst klar, dass der Saboteur immer der gleiche gewesen war, weil es in der Schweiz wiederum zu lockeren Schrauben und angeritzten Reifen kam, und da kam nur noch der Jungwirt infrage. Er wollte unbedingt Berufsfahrer werden und hat mich von angang an manipuliert und zu Aktionen überredet, weil er dachte, in meinem Sog das Ziel erreichen zu können. Als er mich schliesslich beim Ferdy Kübler vorschickte, sagte dieser, wenn ihr morgen gut fahrt, sprechen wir weiter. Am nächsten Tag, als es vom Zürichsee ab in die erste Steigung ins Zürcher Oberland ging, versagte meine Schaltung und plötzlich war mir klar, wem ich das zu verdanken hatte. An diesem Tag beschloss ich, mich nunmehr darauf zu konzentrieren, meine geistige Klinge zu schärfen und das Rennrad wieder wie früher, nur zu meinem Vergnügen zu benutzen.

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Mit 15 am Pöstlingberg mit 15 eine Ausfahrt mit dem Radclub <i>ARBÖ Steyr mit 17 im Jugendkader in der Bundessportschule Spitzerberg Ried i. Innkreis 1956 Trabrennbahn Wels 1958 mit 17 im Jugendkader in der Bundessportschule Spitzerberg mit 17 im Jugendkader in der Bundessportschule Spitzerberg mit 17 im Jugendkader in der Bundessportschule Spitzerberg Promenade in Steyr 1958

Nachdem ich als Nachwuchstalent entdeckt worden war, fühlte ich mich trotzdem nicht berufen, an einer Radsportkarriere zu arbeiten. Ich fuhr Rennen nur in der näheren Umgebung. Als im Sommer bei einer Radtour nach Kärnten am dritten Tag kurz vorm Fuschertörl mein Rahmen brach, fiel der Rest der Saison aus. Im April 1958 veranstaltete der ARBÖ (damals Arbeiter Radbund, heute Auto- und Radfahrerbund) ein zweiwöchiges Trainingslager in der Bundessportschule Spitzerberg bei Hainburg. Hier sollten einige Nachwuchsfahrer für die Olympischen Spiele in Rom aufgebaut werden. Der Trainer war Rudi Valenta und der Masseur war Herr Waberl. Ich rückte mit nur 500 Trainingskilometern ein, was bei den gelegentlich durchgeführten Zeitfahrbewerben jeweils nur für einen Platz im vorderen Mittelfeld reichte, nur im Spurt war ich auch schon bei diesem Trainingsstand unwiderstehlich.

Meine persönliche Höchstleistung passierte im Sommer 1959, ein Jahr bevor ich zum Bundesheer kam. Als ich eine Woche vor dem Steyrtal-Rennen mit Heinz Wallisch von einer Trainigsfahrt auf dem Heimweg war, sagte ich am Bierhäuslberg, dass ich das kommende Rennen durch einen Antritt hier an diesem Anstieg gewinnen werde. Ich war in Höchstform und meiner Sache sicher. Später erfuhr ich, dass sein Zwillingsbruder Günter beim Rennen dann an meinem Hinterrad fuhr, gefasst auf meinen Antritt. Ich hatte aber vergessen, vor dem Angriff den richtigen Gang einzulegen. Denn vor dem Bierhäusl fällt es einige Kilometer weit leicht ab, sodass ich den höchsten Gang eingelegt hatte. Ich bemerkte es, sobald ich antrat, aber da schien es zu spät zu sein. Egal, jetzt musste ich das durchziehen und ich drehte mich bis in Ziel nicht um. Ich war selbst überrascht, dass mich nur einer vor dem Zielstrich überholte. Wenn es wenigsten Günter Wallisch gewesen wäre, es war aber ein Wiener aus der Dusika Mannschaft.

Jedenfalls befand ich mich in einer einmaligen Form, sodass ich am Montag nach der Arbeit dieselbe Strecke wieder abfuhr und zwei Minuten schneller war als im Rennen. Das selbe wiederholte sich am Dienstag und am Mittwoch. Jeden Tag schneller. Der Stadlmaier, den ich an einem dieser drei Tage in Leonstein einholte und durch Zuruf zum Mitfahren aufforderte, konnte nach einem Kilometer mein Hinterrad nicht mehr halten. Am Mittwoch war ich fast acht Minuten schneller gewesen als wir im Rennen gefahren waren. 110 km in 157 Minuten, das entsprach zweiundvierzig Kilometern pro Stunde. Dabei ist zu sagen, dass damals noch nicht die ganze Strecke asphaltiert war. Die Dornleite war noch dazu damals viel steiler. Auch verschiedene tiefe Gräben im Steyrtal sind mittlerweile überbrückt. Am Donnerstag war dann Schluss. Da brauchte ich dann wieder fast fünfzig Minuten länger als im Rennen, was einer normalen Trainingsfahrt entsprach. Ich war mir sicher, dass es niemanden auf der Welt gab, der meine Leistung von diesem Mittwoch hätte toppen können. Nicht alle begabten Sänger dieser Welt, wollen an der Met oder an der Scala singen, bzw. nicht alle Sänger die an der Met oder an der Scala singen, waren von Haus aus die begabtesten der Welt.

Als ich Anfang April 1960 zum Bundesheer einrückte, drückte mir unser Vereinspräsident ein Schreiben in die Hand, worin er meine Vorgesetzten ersuchte, mir Zeit zum trainieren zu geben. Dieser Druck gefiel mit gar nicht und außerdem war das Schreiben in einem Stil abgefasst, der mir nicht zusagte, sodass ich es niemandem vorlegte, und das ganze Jahr nicht aufs Rad stieg. Eigentlich wollte ich an keinem Rennen mehr teilnehmen und sportliche Betätigung hatten wir beim Militär genug. Mein Rennrad stand im Keller des Kompaniegebäudes. Jedes mal wenn wir uns zum Abholen der Wäsche im Keller anstellten, gingen wir daran vorbei, und niemand wusste, wem das Rad gehört.

Die letzten zwei Wochen des Jahres 1960 waren gleichzeitig die letzten Wochen meiner Zeit beim Bundesheer. Da fuhr ich nach Thun, wo der Jungwirt inzwischen bei seiner Mutter wohnte. Dort gefiel es mir so gut, dass ich mir gleich eine Arbeit suchte. Bei der Fritz Studer AG, einem Erzeuger von Präzisionsschleifmaschinen, trat ich in der ersten Woche des Jahres 1961 eine Stelle als Mechaniker an. Dort fand ich wieder richtig Freude am Radeln. Fast jeden Abend fuhr ich um den Thunersee, oder Richtung Emmental oder nach Heiligenschwendi hinauf. Später in Zürich fuhr ich an Sonntagen gerne um den Zürichsee oder über den Klausen, und an Abenden um den Greifensee. Im Juli 1968 oder 1969 fuhr ich in drei Tagen von Zürich nach Kremsmünster. Am ersten Tag bis Klösterle, am zweiten bis Innsbruck und am dritten Tag in die Glasgasse.

Als ich ungefähr 40 Jahre alt war, hörte ich in meinem Umfeld in Linz reden, dass die Rennen heutzutage durch häufigere Attacken geprägt wären, als zu meiner Zeit. Da juckte mich der Hafer und ich wollte es noch einmal wissen. Um mein Rennrad zu schonen kaufte ich mir wieder ein Waffenrad, mit dem ich im Winter begann, mich durch Fahrten in die Arbeit nach Linz in Form zu bringen. Ich erinnere mich an einen Morgen, als ich um 5 Uhr bei strömendem Regen im Finstern losfuhr. An den Straßenrändern lag Schnee. Als ich schließlich im Mai in Braunau, bei meinem ersten Rennen seit 20 Jahren bemerkte, dass tatsächlich dauernd attackiert wurde, war es mir schließlich zu dumm, und ich setzte mich 40 Kilometer vor dem Ziel an die Spitze und fuhr mit vollem Einsatz mein Tempo. In den Augenwinkeln bemerkte ich Fahrer, die mich vor dem Ziel, in das ich durch eine kurz Ohnmacht kopfüber stürzte, abfangen wollten. Ob es einem oder zwei gelang, weiß ich bis heute nicht. Ich rappelte mich auf und ging benommen zum Auto und fuhr nach Hause, obwohl ich bemerkte, dass ich mir das rechte Schlüsselbein gebrochen hatte. Damals bestand bei Rennen bereits Helmpflicht. Das war mein Glück, denn mein Helm war innen blutig, es war aber nur eine kleine Wunde.

Heute mit 82 Jahren, fahre ich nicht mehr so schnell bergauf, aber noch immer mit demselben Elan bergab. Sollte ich beginnen, mich dabei unsicher zu fühlen, werde ich anfangen zu bremsen.

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