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Eine kleine Geschichte der Zahlen

Dreifach ist des Raumes Maß:
Rastlos fort ohn Unterlaß
strebt die L ä n g e ; fort ins Weite
Endlos gießet sich die B r e i t e ;
Grundlos senkt die T i e f e sich.

Dir ein Bild sind sie gegeben:
Rastlos vorwärts mußt du streben,
Nie ermüdet stillestehn,
Willst du die Vollendung sehn;
Mußt ins Breite dich entfalten,
Soll sich dir die Welt gestalten;
In die Tiefe mußt du steigen,
Soll sich dir das Wesen zeigen.

Nur Beharrung führt zum Ziel,
Nur die Fülle führt zur Klarheit,
Und im Abgrund wohnt die Wahrheit.

Friedrich Schiller (1759 - 1805)

Diese Zeilen aus den Sprüchen des Konfuzius (551 - 479 v. Chr), sollen uns dazu anregen, alle drei beschriebenen Ziele im Leben zu verfolgen, um dieses nicht nur mit Seichtigkeiten zu verplempern und nur im Trüben zu fischen. Sie können uns aber auch zum Beispiel dazu anregen, darüber nachzudenken, dass Menschen in allen Weltgegenden einmal damit begonnen haben müssen, in Dimensionen und Zahlen zu denken. Was daraus geworden ist, ist der kunstvolle Teppich der Mathematik (altgriechisch μαθηματική τέχνη, mathēmatikē téchnē, "die Kunst des Lernens"),
dessen Schönheit unter anderem daran liegt, dass man einzelne Muster des Teppichs nachempfinden kann, und immer wenn man etwas begriffen hat, erlebt man ein Gefühl des Staunens und tiefer Zufriedenheit. (Laut Goethe ist Erstaunen das Höchste, wozu der Mensch gelangen kann). Wer mehr davon will, muss sich an die Sprüche des Konfuzius halten, denn zur Mathematik führt kein königlicher Weg, aber ein sportlicher. Hier wollen wir uns ein paar Gedanken über die Zahlen machen, die ja der Mathematik zugrunde liegen und die mit ihr mitgewachsen sind.

Die natürlichen Zahlen 1, 2, 3, ...

sind so natürlich wie ihr Name es zum Ausdruck bringt. Man kann sich gut vorstellen, wie Menschen in den verschiedensten Gegenden einst damit anfingen, sich mithilfe ihrer Finger mitzuteilen, wie viele Mammuts man gesehen hat (kardinaler Aspekt), oder wie Kinder erzählten, dass sie erster, zweiter oder dritter bei einem Wettlauf geworden waren (ordinaler Aspekt). Zur schriftlichen Darstellung wird man wohl Striche in den Sand gemacht haben.

Als die zu beschreibenden Zahlen größer wurden, hat man vielleicht nach vier Strichen den fünften quer über die ersten vier gemacht, wie heute beim Kartenspielen. Die Römischen Ziffern beginnen ja auch mit Strichen: I (1), II (2), III (3). Für 4 schreibt man IIII, meistens aber IV, was V (5) minus I (1) bedeutet. Die weiteren Ziffern sind X (10), L (50), C (100), D (500), M (1000). 2022 schreibt man beispielsweise MMXXII und 777 schreibt man DCCLXXVII. Zum Rechnen ist diese Darstellung der Zahlen nicht gut geeignet. Man denkt im Alltag nicht daran, wie ausgefuchst die nunmehr überall gängige Darstellung der Zahlen ist.

Trotz der Bezeichnung "natürlich", fand man die Zahlen aber nicht in der Natur, wie Pilze oder Atome. Der Begriff der Zahl ist eine Schöpfung des menschlichen Geistes. Diese Vorstellungswelt ist aber durchaus realistisch und deshalb auf der ganzen Welt gültig, im Gegensatz zu anderen Ideen, wie z. B. solchen religiöser Natur. Die Mathematik, die Wissenschaft von den Zahlen und davon, was man mit ihnen machen kann, ist also eine Geisteswissenschaft. Sie hat sich aber zusammen mit den Wissenschaften über natürliche Phänomene in einem Geben und Nehmen zum heutigen Stand entwickelt und entwickelt sich weiter, auch in Verbindung mit Wirtschaft, mathematischen Computerwissenschaften, etc. Die Mathematik war die erste exakte Wissenschaft und hat das Erblühen der anderen exakten Wissenschaften, welche ohne die Sprache der Mathematik, nur mit Alltagssprache, sehr mühsam und schwer verständlich wären, erst möglich gemacht. Die Mathematik existiert auch ohne die anderen Wissenschaften, wird aber von diesen gebraucht, weshalb man sie auch die Königin der Wissenschaften nennt.

An Hochschulen unterscheidet man zwischen Reiner Mathematik und Angewandter Mathematik. An grösseren Universitäten kann man deshalb Mathematik an verschiedenen Fakultäten studieren (Abschlüsse BA, MA oder BSc, MSc).
Der nächste Schritt nach dem Striche machen war wohl, für jede Zahl ein Zeichen zu kreieren, was aber irgendwann an eine Grenze stieß. Vor viertausend Jahren sagten sich die Babylonier in Mesopotamien, dass 60 Zeichen reichen müssen. Welche Rolle die Zahl 60 einst spielte, zeigt sich heute noch zum Beispiel in der Einteilung der Stunde in 60 Minuten. In mancher Hinsicht wäre die Zahl 16 = 2 x 2 x 2 x 2 = 24 eine ideale Basis (Hexadezimalsystem), aber die Basis zehn hat sich durchgesetzt, vermutlich, weil wir zwei mal fünf Finger haben. In Computern arbeitet man mit nur zwei Ziffern, weil sich in Maschinen leichter zwei Zustände herstellen lassen, als mehrere: 1 x 23 + 0 x 22 + 0 x 21 + 1 x 20 = 1001 = 9. An diesem Dualsystem dürften auch Zweifingerfaultiere ihre helle Freude haben. (Sie lesen dann aber z. B. den Buchtitel "1001 Nacht" als "9 Nacht", denn 1001 bedeutet im Dualsystem die Zahl neun). Weniger als 2 geht nicht als Basis eines Zahlensystems, denn dann wären wir bei 1, und damit wieder bei den Strichen.

Da es keine natürliche Zahl gibt, die eine Gleichung wie z. B. x = 8 - 9 erfüllt, erfand man zunächst die negativen Zahlen. Erst viel später erdachte man sich auch noch die Null. Auf einer Geraden denkt man sich heute einen Punkt als die Zahl Null, und rechts davon Punkte, in gleichen Abständen, die die natürlichen Zahlen darstellen. Links von 0, wie daran gespiegelt, Punkte in den gleichen Abständen, welche die natürlichen Zahlen mit negativem Vorzeichen, nämlich die negativen ganzen Zahlen darstellen. Das ganze Modell nennt man die Zahlengerade. Die Gesamtheit der natürlichen Zahlen, der Null und der negativen ganzen Zahlen, nennt man die Menge der ganzen Zahlen Z = ... , -3, -2, -1, 0, 1, 2, 3, ... (Mit dem Begriff "Menge" meint man in der Mathematik nicht eine große Anzahl, wie im täglichen Sprachgebrauch, sondern einfach eine "Handvoll" zusammengehöriger Dinge, z. B. Zahlen. Selbst wenn man mit leeren Händen dasteht, spricht man von der "leeren" Menge).

Die Bruchzahlen

Da es keine ganze Zahl gibt, die eine Gleichung wie z. B. x = 8 : 9 erfüllt, erfand man die Bruchzahlen und nannte sie die rationalen Zahlen. (Quotienten, Ratio = Verhältnis). Der Flame Simon Stevin (1548–1620) kam auf die Dezimalschreibweise für Bruchzahlen (was Newton (1642 - 1727) zur unendlichen Reihe inspririerte). Jede rationale Zahl läßt sich als endlicher (endlich viele Ziffern nach dem Komma) oder periodischer (eine Zahl oder eine Zahlenfolge wiederholt sich unendlich oft ab einer gewissen Stelle nach dem Komma) Dezimalbruch schreiben und umgekehrt. Zum Beispiel: 3/5 = 0,6       2/6 = 0,333...       z/n = 73,214 581 581 581 ...

Um die Darstellung als Bruchzahl z/n für die Dezimalzahl 73,214 581 581 581 ... zu finden, also Zähler und Nenner zu ermitteln, setzen wir

x = 73,214 581 581 581 ...

Ab der vierten Stelle nach dem Komma wiederholt sich die Periode 581 unendlich oft. (Unendlich, ist keine Zahl sonder heißt einfach "ohne Ende, nie endend"). Um den nichtperiodischen Teil 214 vor das Komma zu bekommen, setzen wir

1 000 x = 73 214,581 581 581 ... .

Dann schreiben wir noch die Zahl

1 000 000 x = 73 214 581,581 581 581 ... ,

um auch die Periode 581 einmal vor das Komma zu holen. Jetzt machen wir die Rechnung

1 000 000 x - 1 000 x = 999 000 x = 73 214 581,581 581 581 ... - 73 214,581 581 581 ... = 73 141 367.

Aus 999 000 x = 73 141 367

ergibt sich

x = 73 141 367/999 000 = 73,214 581 581 581 ... .

Als mein Sohn noch ins Gymnasium ging, habe ich ihm auf diese Art einmal gezeigt, dass 0,999 9 ... gleich 1 ist. Das hat ihm offenbar gefallen und am nächsten Tag konfrontierte er damit seinen Mahtematik Lehrer. Der war wohl auch verblüfft, traute der Sache aber nicht recht. Offenbar hatte er sich darüber noch nie Gedanken gemacht. Null Komma Periode 9 ist identisch mit 1. Denn sei

x = 0,999 ...

dann gilt

10 x = 9,999 ...

und

10 x - x = 9 x = 9,999 ... - 0,999 ... = 9

und wenn 9 x = 9 gilt, dann gilt auch x = 9/9 = 1. Wer mit "unendlich" seine Schwierigkeiten hat, der schreibe 0,999 ... mit beliebig vielen Neunen hin und denke sich dann, die Neunen weitergeschrieben, z. B. 57 000 mal um die Erde und dann noch 127 000 000 mal zur Sonne und zurück. Dann kommt einer und sagt das ganze mal 2 und schon hat er eine größere Zahl, die näher bei eins ist. Auf diese Weise kann man also 1 beliebig nahe kommen. Eine Zahl mit einer endliche Anzahl Neunen genügt aber nicht, denn es gibt dann immer noch unendlich viele Zahlen zwischen ihr und der Eins. 0,9 periodisch, also die Zahl mit unendlich vielen Neunen, lässt keine Zahl zwischen ihr und der Eins zu. Damit beschreiben beide denselben Punkt auf der Zahlengeraden. Jetzt sind wir aber unversehens im Zahlenkontinuum gelandet, welches Gegenstand des nächsten Kapitels ist. Wenn es in einer Menge von Dingen (Zahlen) für jedes Ding (Zahl) eine Umgebung gibt, in der kein anderes Ding (Zahl) anwesend ist, nennt man die Menge diskret, im Gegesatz zu einer kontinuierlichen Menge, in der in jeder noch so kleinen Umgebung eines Dings (Zahl) noch andere Dinge (Zahlen) sind. Es ist vergleichbar mit dem Unterschied zwischen digital und analog.

Das Kontinuum oder die Menge der reellen Zahlen

Im Zweistromland, aber auch in Ägypten, in China und anderswo, wurden mathematische Methoden in Handel, Ackerbau, Bauwesen angewandt. Sogar der Pythagoreische Lehrsatz könnte schon lange vor Pythagoras im Bauwesen bekannt und angewendet worden sein, als vor zweieinhalbtausend Jahren, Denker in Griechenland (die Philosophen = Freunde der Weisheit) sich für die Zahlen an sich zu interessieren begannen, und die Mathematik zur exakten Wissenschaft machten, indem sie dazu übergingen, jede neue Vermutung über Gesetzmäßigkeiten zu beweisen oder zu widerlegen. Euklid vermutete z. B., dass es unendlich viele Primzahlen gibt und es gelang ihm schließlich, einen logischen Beweis dafür zu erbringen. Diese Erkenntnis war für Leute, die mit dem Mathematikvirus infiziert waren interessant, und führte zu einem Wisseszweig über Primzahlen, der aber für zweieinhalb Jahrtausende ohne praktische Bedeutung blieb, bis vor wenigen Jahrzehnten die Kryptologie den Wert der Primzahlen zum Verschlüsseln von Nachrichten erkannte. Nunmehr im Computerzeitalter werden hohe (lange) Primzahlen um viel Geld gehandelt.

Schon 200 Jahre vor Euklid entdeckte Hippasos von Metapont, aus dem Kreis der Pythagoreer der Frühzeit, als erster Mensch eine irrationale Zahl. Anhand des rechtwinkeligen Dreiecks mit zwei Katheten der Länge eins konnte er zeigen, dass die Quadratwurzel aus 2 (die Länge der Hyphotenuse) keine Bruchzahl ist, dass sie also nicht als Bruch zweier Zahlen geschrieben werden kann. Hippasus's Meister, Pythagoras, war da schon in dem Glauben verstorben, dass mit den rationalen Zahlen das Ende der Fahnenstange erreicht war. Das System der Bruchzahlen hatte also Lücken! Die endgültige Lösung des Problems der nicht rationalen Zahlen, sollte noch viele Mathematiker bis ins zwanzigste Jahrhundert beschäftigen.

Heute nennt man nicht rationale Zahlen wie die Wurzel aus zwei, die sich als Lösung einer algebraischen Gleichung ergeben, algebraische Zahlen. Es gibt unendlich viele. Im Laufe der Zeit kam man noch auf unendlich viele andere Zahlen, die sich nicht als Brüche darstellen ließen, die man transzendent nannte. Dazu gehören die bekannte Kreiszahl π und die Eulersch Zahl e. Die algebraischen, zusammen mit den transzendenten Zahlen, nennt man die "irrationalen Zahlen". Diese, zusammen mit den rationalen Zahlen, ergeben die reellen Zahlen.

Als Gottfried Wilhelm Leibniz und Sir Isaac Newton im siebzehnten Jahrhundert unabhängig voneinander die Technik der Infinitesimalrechnung (Kalkül) erfanden, zeigte sich die Notwendigkeit einer Klärung des "lückenhaften" Zahlbegriffs. (Schliesslich kann eine Funktion nicht stetig oder differenzierbar sein, wenn das Zahlensystem Lücken hat). Augustin-Louis Cauchy (1789 - 1857) und Julius Wilhelm Richard Dedekind (1831 - 1916) waren zwei Hauptfiguren in diesem Prozess, der seit Dedekind als abgeschlossen gilt.

Ein einfaches Polynom wie f(x) = x2 - 5 hat keine rationale Wurzel. Das Verhältnis Kreisumfang : Kreisdurchmesser = π ist keine rationale Zahl. Es gibt viele Folgen rationaler Zahlen, die einen irrationalen Grenzwert haben. Die Zahlengerade nur mit ganzen und rationalen Zahlen hat in der Tat mehr Lücken als besetzte Plätze. Heute geht man vom Vollständigkeitsaxiom aus, demzufolge jeder Punkt der Zahlengeraden eine Zahl repräsentiert, dass also alle Zahlen zusammen, man nennt sie die Menge R der reellen Zahlen, ein Kontinuum bilden. Der springende Punkt bei diesem Zahlenkontinuum ist, dass wenn man eine Zahl ins Auge fasst, und in beliebig kleinem Abstand eine andere Zahl wählt, dann sind unendlich viele Zahlen zwischen den beiden, und zwar überabzählbar (nicht abzählbar) viele. Man kann also zu einer reellen Zahl keinen Nachbarn angeben, wie bei den natürlichen Zahlern, wo jede Zahl einen Nachfolger hat und alle, ausser einer, einen Vorgänger. (Die natürlichen Zahlen, ja selbst die rationalen Zahlen, bilden abzählbare, unendliche Mengen).

Man nennt die Mächtigkeit der abzählbaren Mengen ℵ0 und die der reellen Zahlen ℵ1 = c. (ℵ spricht man Alef und c steht für continuum). Die Charakteristik des Kontinuums wird auch in dem folgenden Beispiel sichtbar: wir betrachten den Ausschnitt [4, 5] aus den reellen Zahlen, also die Menge aller reellen Zahlen zwischen 4 und 5, inklusive 4 und 5.

Die Zahl 4 ist das Minimum dieser Menge und die 5 bildet das Maximum. Ganz klar. Enfernt man 4 und 5, dann hat diese Menge kein Minimum und kein Maximum mehr, man kann keine kleinste und keine größte Zahl der Menge mehr nennen. Der 4 verbleibt die Rolle der größten unteren Schranke der Menge und der 5 verbleibt die Rolle der kleinsten oberen Schranke der Menge (4, 5). Die Vorstellung, dass eine Menge von Zahlen z. B. keine kleinste Zahl hat, also kein Minimum hat, ist zunächst schwer vorstellbar, darum ein Beispiel (im Beispiel): wählen wir 4,1 als erste Annäherung und bilden eine Schlange (Folge) von kleiner werdenden Zahlen derart, dass mit jeder neuen Zahl der Abstand zu 4 halbiert wird: 4,1 * 4,05 * 4,025 * 4,0125 * 4,00625 * 4,003125 * . . .  . Diese endlose Folge kommt 4 beliebig nahe, man sagt, die Zahlenfolge konvergiert gegen 4 oder hat den Grenzwert 4. Man kann aber keine Zahl bestimmen, die 4 am nächsten wäre. Die entsprechende abnehmende Folge der Abweichungen von 4, nämlich: 0,1 * 0,05 * 0,025 * 0,0125 * 0,00625 * 0,003125 * . . .   ist gleichermaßen unendlich lang (die Nullen nach dem Komma werden immer mehr, gehen ins Unendliche) die Abweichungen werden also immer kleiner, unendlich klein, aber nie und nimmer null. Es sind uns also keine Grenzen gesetzt, 4 immer näher zu kommen, 4 bleibt aber für immer unerreichbar. Das klingt paradox, ist es aber nicht. Das ist das Kontinuum, so sind die reellen Zahlen zu verstehen.

Ein weiteres Charakteristikum der reellen Zahlen ist ihre Anordnung. In der Menge der reellen Zahlen (wie auch in den Teilmengen der natürlichen und den rationalen Zahlen) herrscht eine totale Ordnung; es ist immer eindeutig, welche von zwei Zahlen die kleinere oder die größere ist oder ob sie gleich groß sind. (Es gibt auch andere Zahlenmodelle, in denen keine Ordnung oder keine totale Ordnung herrscht).

Wie "unendlich groß" und "unendlich klein" miteinander verwoben sind, zeigt folgende Überlegung. Ein Punkt auf der Zahlengeraden, wie jeder mathematische Punkt, beansprucht keinerlei Platz. Und doch bildet die Menge aller Zahlen, eine lückenlose, kompakte, vor allem aber unendlich lange Gerade. Wie können unendlich viele dimensionslose Punkte eine unendlich lange Gerade bilden? Liegt es vielleicht daran, dass die Zahlengerade eben nur ein gedankliches Modell ist? Aber wo sind dann die Zahlen wirklich? Ja eben, die gibt es gar nicht. Kein Mensch hat sie je gesehen ;-).

Lösung: Der Wert der Zahl wird nicht durch den Punkt bestimmt, der sie repräsentiert, sonder durch dessen Abstand zum Punkt der die Null darstellt. Dieser Abstand wird der Betrag der Zahl genannt. (Der Betrag von -7 ist gleich dem Betrag von 7).

Nicht alle algebraischen Gleichungen haben eine Lösung in den reellen Zahlen. Carl Friedrich Gauß (*1777 in Braunschweig, ✝1855 in Göttingen) gelang der Beweis, dass jede algebraischen Gleichungen eine Lösung in den komplexen Zahlen hat. Alle Punkte p = (a, b) der (euklidischen) Ebene kann man als die Menge C der komplexen Zahlen auffassen und damit rechnen. Als komplexe Zahl schreibt man den Punkt als a + ib, nennt a ∈ R den Realteil und ib den Imaginärteil, wobei b ∈ R und i = √-1 im Abstand 1 nach oben auf der senkrechten Achse durch die Null auf der Zahlengeraden. Diese Achse wird die imaginäre Achse genannt und i ist die imaniginären Einheit darauf. Die Zahlengerade nennt man dann die reelle Achse.
Im Gegensatz zu den reellen Zahlen, herrscht bei den komplexen Zahlen keine "Rangordnung", sondern nur eine Ordnung nach absoluter Größe, nach dem Betrag der Zahlen. Alle Zahlen auf einem Kreis um den Punkt (0, 0) haben den gleichen Betrag, unterscheiden sich nur um ihren "Winkelabstand" bezüglich der reellen Achse. Der Winkel wird im Gegenuhrzeigersinn von der positiven reellen Achse aus gemessn.

Denkt man an eine Matroschka (russische Puppe, Babuschka), kann man sich deshalb die Menge der komplexen Zahlen als die große Puppe vorstellen, in der nacheinander die kleineren Zahlenmengen enthalten sind: die reellen, die rationalen, die ganzen, die natürlichen. Die Entwicklung und Erweiterung des Zahlenbegriffs erfolgte über die Jahrtausende hinweg auch in dieser Reihenfolge, aber natürlich von innen nach außen: natürlicheganzerationalereellekomplexe; symbolisch: NZQRC.