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Die Oberressl-Theuer Saga  (Teil 4)

Reisach im Gailtal

liegt an der Straße von Kötschach (linker Bildrand) nach Hermagor (rechter Bildrand). Es ist an zwei Bachläufen entstanden. Der größere und beständigere kommt links, tief unterhalb der Kirche aus einer bewaldeten Gebirgsschlucht hervor und strebt in der Mitte des unteren Bildrandes der Gail zu. Im Ortskern ist er beiderseits von Straßen gesäumt, an die sich die Häuser anschließen. Der zweite Bach kommt vom rechts oben im Bild und mündet kurz vor dem unteren Bildrand in den ersten. Dieser zweite Bach hat ein zerklüftetes Bett und wird bei heftigen, längeren Regenfällen zum reißenden Wildbach. Die beiden Wege, welche die Bäche unterhalb der Bundesstraße begleiten, treffen sich unterhalb des Bildrandes und führen zur Bahnstation. Hinter den Gleisen der Bahn kommt man nach ein paar hundert Metern zur Gail, und nach einem weiteren Kilometer ist man in Goderschach, auf der "Schattseitn".
Bahn-Haltestelle Reisach im Gailtal
Blick von der Bahnstation auf Reisach. Rechts im Vordergrund das Haus Angerer, wo ich als Fünfjähriger, als wir im Schulhaus (im ersten Bild oben Mitte) wohnten, oftmals in einer Kanne Milch holen mußte.
Zwischen der Kirche und dem Haus des Großvaters geht der Weg über das Reisskofelbad zum Reisacher Joch. (Das Bild hat mir einmal der Hans geschickt).

Am Reisacher Joch.

Es geht die Mär, daß vor langer Zeit, die Hälfte des Reisskofels abgebrochen ist und die Stadt Riesach begraben hat, auf deren Schutt Reisach eintstanden ist.

Reisach

 
Aufgrund der Abstammung meines Vaters - er war nach wie vor vermißt - wurden wir nach Reisach weiterverfrachtet. Ich habe noch immer 'Arnoldstein' im Ohr und die Erinnerung, dass wir von den Engländern warmen Tee bekamen. Dann ging es mit dem Gailtalexpreß nach Gundersheim. Eine Familie Jautz, auch aus Gablonz, hatte sich uns angeschlossen. Zunächst waren wir mit denen zusammen im heutigen 'Forellenhof' untergebracht. Meine Mutter, eine leidenschaftliche Köchin, hatte sogleich zu backen begonnen, unsere lieben Mitreisenden - außer Herrn und Frau Jautz waren noch die Eva in meinem Alter und die Margit, schon erwachsen und ausgebildete Schauspielerin - aßen uns aber stets sogleich alles weg. Die Margit war übrigens später für Jahrzente Sprecherin bei Radio Linz.  
 
Nach ein paar Tagen befreite uns der Bürgermeister von unseren Mitessern indem er uns eine Unterkunft in der Volksschule Reisach zuteilte. Ein grosses Klassenzimmer sollte dann für fast ein Jahr unsere neues Zuhause sein. Das folgende Schwarzweißbild der Klasse vom Hans ist ein paar Jahre später aufgenommen worden. Die anderen 4 Bilder zeigen die Schule wie sie heute ist.

Der Winter 1945 - 1946

 
... war, jedenfalls im Gailtal, ein Bilderbuchwinter. Es hat zwei oder drei mal richtig geschneit. Sonst war wochenlang ungetrübter Sonnenschein.  
 
Meine zweite Heimat war jetzt Reisach im Gailtal. Ich war sehr empfänglich für die vielen neuen Eindrücke die ich dort empfing.  
 
Da waren die Kessen (ein kleines Exemplar zeigt das nächste Foto unten), die jetzt immer weniger werden. Da waren die Maiskolben, die darin hingen, die Pferdewagen und Pferdeschlitten mit zwei gebogenen Deichseln für nur ein Zugtier (manchmal war es auch ein Muli). Beim Saler stand ein Pferd im Stall; da ist heute die Küche drin. Ferner war das Plumpsklo in der Schule, das über alle Etagen ging, der Brunnen und der Maulbeerbaum im Schulhof. Die Lehrerin, Fräulein Bodner, die uns später in OÖ besucht hat. Im Nachbarhaus (Seli) die Pferde und die Schafe, der Schuster Themessl an der Kreuzung oben, neben dem Gebirgsbach, von wo man dann weiter zum Onkel Jakob mit Familie gelangen konnte, wo es immer einen eigenen Geruch hatte.  
 
Nicht zuletzt war da Polenta mit fetter Milch und die weissen Wecken, die nach Art eines Briefmarkenblockes aus mehreren Broten bestanden und einen eigenen, von Semmeln verschiedenen Geschmack hatten. Die Milch holte ich beim Angerer, bei der Bahnstation. Ich hatte damals einen Triller den ich jedesmal losliess, wenn ich neben dem Bach heimwärts richtung Schorschak beim Kriegerdenkmal ging. Zuhause angekommen, fragte ich meine Mutter stets, ob sie mich gehört hat. Natürlich hatte sie immer.  
 

Mit Großvater in der Mühle

 
Es ist sehr bedauerlich, dass die vielen Mühlen, die an den zwei Bächen am oberen Ortsrand standen, alle verschwunden sind. Faszinierend fand ich schon allein die Holzrinnen, die das Wasser vom Bach abzweigten und dem Mühlrad zuführten. Eine Mühle stand mitten im Ort, gleich unterhalb der Brücke bei der Schmiede, wo der Bach den Ort betritt. Bachabwärts waren noch eine oder zwei.  
Die hier unten gezeigte steht in Osttirol, wo das Gailtal Lesachtal heißt.
 
Der Saler Großvater hat aber sein Korn in einer anderen Mühle gemahlen. Einmal hat er mich mitgenommen. Es war noch finster, als ich morgens zu ihm ging, damit er ja nicht vergisst, mich in der Schule abzuholen. Sein Nachtlager, das er im Winter auf dem 'Kachelofen' in der Stube hatte, hatte er schon verlassen, und bereitete sich in der schwarzen Kuchl gerade sein Frühstück, welches aus einem weissen, fetten Sterz und 'Kaffee' bestand.  
 
Er nahm es zu sich, indem er immer zuerst seinen Löffel mit Sterz füllte und nachher in den Kaffee tauchte. Dermassen angereichert führte er ihn zum Munde. Zum Schluss trank er genüsslich den Rest des Kaffees aus. Endlich schulterte er seinen Sack voll Korn.  
 
Wir gingen dann wieder den Weg zurück zur Schule, daran vorbei und schlugen am oberen Ende des Zaunes einen Weg ein, der heute ganz verwachsen ist. Schließlich erreichten wir die Mühle. Die Geräusche, der eigene Geruch, die ganze Stimmung noch in finsterer Nacht, werde ich nie vergessen.

Verwandte

 
Einmal fuhren wir mit der Tante Kathl und ihren drei grossen Buben nach Kirchbach. Die Sonne strahlte, die Straße war nur von einem hölzernen Pferdeschneepflug geräumt, d. h. es war eine ungestreute, verdichtete Schneefahrbahn, auf der man gut die Rodel ziehen konnte. Autoverkehr gab es damals ja noch kaum, nur ab und zu ein Pferdeschlitten. Da der Emil noch klein war, durfte er also am Schlitten sitzen. Er hatte aber nur Zwirnstrümpfe an, mit Strumpfhaltern, und oben schaute noch die nackte Haut raus. Da fing er auf einmal laut zu zetern an, da es ihm trotz Sonnenschein anscheinend doch zu kalt geworden war.  
 
Mit dem Grossvater fuhr ich auch einmal nach Rattendorf zu Tante Paula. Die Paula hieß verheiratet Bübl und hatte vier Kinder: Steffi, Sepp, Sigtraud, Ewald, die aber damals noch kleiner als ich, oder noch gar nicht auf der Welt waren. Damals waren aber Kinder von ihrem Bruder im Haus, die allerdings wieder älter als ich waren. Mit denen hat der Grossvater Karten gespielt.  
 
Rattendorf ist nicht klein. Aber als ich 2002 das Haus gesucht habe, wusste ich noch genau wo es war. Der erste den ich fragte, war denn auch der Ewald, der vor der Haustür stand.  
 
Natürlich habe ich Onkel Oswald, Tante Tini, Rike und Gusti kennengelernt, sowie Großvaters zweite Frau.  
 
Wir besuchten auch die Verwandtschaft am Stollwitzt, in St. Daniel, am Goldberg, in Würmlach. Die Tante Loni war auf der Reisacher Alm, wo wir sie auch besucht haben.  
Sehr oft und gern waren wir bei Onkel Hans und Tante Mitzi in Kötschach. Onkel Hans war derjenige, der am meisten mit uns in Verbindung geblieben ist, als wir dann in Ober-Österreich waren.

Josef Oberressl ist in Linz

 
Durchs Rote Kreuz hatten wir erfahren, daß mein Vater heimgekehrt ist und in Linz arbeitet. So haben wir uns wieder gefunden. Noch vor Weihnachten 1945 kam er nach Reisach. Von einem Jugendfreund, Seli neben der Schule, hat er Pferd und Wagen geborgt und wir haben uns von der Gailverbauung, wo Onkel Jakob beschäftigt war, Holz heimgeholt. Da durfte ich zum ersten mal kutschieren und selbst die Zügel halten.  
 
 
                            * * *  
 
Zum Abschluß noch ein paar Fotos von Plätzen, die in meinen Gedanken an meine Kindheit in Reisach eine Rolle spielen.
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